Familienrecht: Erwerbsobliegenheit trotz Schwerbehinderung und Rente?

Bei einer Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem minderjährigen Kind gelten strenge Regeln.

Im Rahmen der sogenannten Erwerbsobliegenheit kann der Unterhaltsschuldner verpflichtet sein, berufsfremde Tätigkeiten aufzunehmen oder Gelegenheitsarbeiten, gegebenenfalls muss er den Wohnort oder den Beruf wechseln, eine Nebenbeschäftigung aufnehmen.

Auch ein gesundheitlich wesentlich eingeschränkter Unterhaltsschuldner muss gegebenenfalls einen Mini-Job aufnehmen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Beschluss vom 09.11.2016 in einem solchen Fall entschieden.

Hier nahm der minderjährige Sohn, der beim Vater lebte, seine Mutter auf Mindestunterhalt in Anspruch.

Diese war zu 70 % schwerbehindert und hat eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen.

Des Weiteren wandte sie noch ein, dass sie ihre Mutter 6 Tage pro Woche jeweils im Umfang von 3 Stunden pflege und deshalb auch keiner Erwerbstätigkeit nachgehen könne.

Der BGH hat hier ausgeführt, dass sich aus dem Umstand der Schwerbehinderung und des Bezugs der Rente wegen voller Erwerbsminderung ergibt, dass die Kindesmutter nicht 3 Stunden oder mehr pro Arbeitstag erwerbstätig sein könne. Leistungsfähigkeit würde also noch im Umfang von bis zu 3 Stunden pro Arbeitstag bestehen.

Als Unterhaltsschuldner besteht die Verpflichtung, die Leistungsfähigkeit vollumfänglich auszuschöpfen.

In dem Fall war es so, dass die Kindesmutter Pflegeleistungen für die eigene Mutter im Umfang von 18 Wochenstunden leisten konnte. Demzufolge ist ihr zumindest ein sogenannter Mini-Job im Umfang von bis zu 3 Stunden pro Arbeitstag zumutbar.

Da der minderjährige Sohn Vorrang vor den Eltern der unterhaltspflichtigen Mutter hat, rechtfertigen die Pflegeleistungen nicht das Unterlassen einer geringfügigen Erwerbstätigkeit.

Die Entscheidung zeigt, dass also selbst der Bezug einer Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht dazu führt, dass automatisch eine Unterhaltsverpflichtung ausgeschlossen ist. Vielmehr muss dargelegt werden, dass aufgrund der Erkrankung auch eine Erwerbstätigkeit im Umfang von bis zu 3 Stunden pro Arbeitstag ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 09.11.2016-XII ZB 227/15).

Antje Schmidt, Rechtsanwältin


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