Versicherung Sachsen will aus „Existenzversicherung“ nicht zahlen – Berufung beim OLG Dresden führt zum Teilerfolg!

Der Mandant wünschte sich eine Absicherung gegen große gesundheitliche Risiken. Hier schien ihm die von der Sparkassen-Versicherung Sachsen Allgemeine Versicherung AG angebotene Existenzversicherung genau das Richtige zu sein. Diese sollte noch die letzten 6 Jahre seines beruflichen Lebens bis zum 67. Lebensjahr laufen, versprochen wurde eine monatliche Rentenleistung i.H.v. 1000,00 €. Unter anderem wurde vereinbart, dass der Versicherer bei Vorliegen folgender Voraussetzungen die Rente zahlt:
„B. Leistungsarten

2. Rentenleistung bei Organschäden (Organrente)

2.2.3 Herzerkrankungen

Als Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit gelten alle Herzerkrankungen wie z.B. Herzinfarkt, Herzklappenerkrankungen, Entzündungen des Herzmuskels oder Herzrhythmusstörungen, die zu einer erheblichen Minderung der Pumpleistung des Herzens geführt haben. Eine erhebliche Minderung der Pumpleistung liegt vor bei einer:

Herzinsuffizienz NYHA (New York Heart Association) III oder IV.

Der Zustand muss irreversibel und auch durch Medikamente nicht dauerhaft über das oben beschriebene Maß verbesserbar sein. Werden die Werte durch eine Transplantation verbessert, wird die Leistung weiterhin erbracht.“.

Bei dem Mandanten stellte sich zunehmende Atemnot ein, er hatte Schwierigkeiten ausreichend Luft zu bekommen. Im Rahmen der kardiologischen Untersuchung wurde folgendes festgestellt:

„Gesichert Linksherzinsuffizienz mit Beschwerden bei leichterer Belastung (NYHA-Stadium III) (I50.13G)
Verdacht auf Dilatative Kardiomyopathie (I42.0 V)
Gesichert Vorhofflimmern, persistierend (I48.1 G)“

In den zahlreichen, regelmäßigen, nachfolgenden ärztlichen Untersuchungen war bis auf einmal stets folgendes diagnostiziert worden:

Chronische Herzinsuffizienz NYHA III mit geringgradig eingeschränkter Ejektionsfraktion (HFmrEF), EF 50 %

Bei dieser gefestigten kardiologischen Diagnose lag also ein Versicherungsfall vor, sodass der Mandant den Versicherer um Aufnahme der monatlichen Rentenzahlungen von 1000,00 € bat.

Es kam aber anders!

Die Sparkassen-Versicherung Sachsen AG holte ihrerseits ein „ärztliches Gutachten“ ein. Der vom Versicherer gestellte Arzt meinte, es läge lediglich eine NYHA II-III vor, damit sei ein Versicherungsfall nicht gegeben.

Folglich wurde Klage erhoben vor dem Landgericht Chemnitz. Der gerichtlich bestellte Sachverständige erstellte ein schwer verständliches Gutachten, sodass die Anhörung des Sachverständigen in einem Gerichtstermin beantragt wurde. Es folgten Terminverlegungen infolge von Corona, schließlich fand doch ein Gerichtstermin beim Landgericht Chemnitz statt. Gekommen war aber nicht der Sachverständige, der vom Gericht nicht geladen war. Dies mit dem Argument, dass zwischenzeitlich vom gerichtlichen Sachverständigen eingeholte Ergänzungsgutachten sei aussagekräftig genug, die Anhörung sei nicht erforderlich. Prompt wurde die Klage abgewiesen.

Gegen dieses abweisende Urteil wurde beim Oberlandesgericht Dresden Berufung eingelegt.

Seit Jahrzehnten ist es ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, dass der gerichtlich bestellte Sachverständige in einem Termin sein Gutachten erläutern muss, wenn dies beantragt wurde. Da dies nicht geschah, war allein schon deswegen das Urteil des Landgerichtes Chemnitz fehlerhaft und aufzuheben.

In dem Berufungsverfahren konnte aber auch noch einmal die Schwächen des Versicherungsvertrages, insbesondere der von der Sparkassen-Versicherung Sachsen gestellten Versicherungsbedingungen aufgezeigt werden. Aus meiner Sicht ging es jetzt um „hohes Versicherungsrecht“. Für mich als Fachanwalt für Versicherungsrecht war das von der Sparkassen-Versicherung Sachsen AG gestellte Bedingungswerk unwirksam, sodass sich daraus eine Zahlungspflicht ergab. Dies mit folgender Argumentation:

Für den Mandanten als durchschnittlichen Versicherungsnehmer waren die zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen so zu verstehen, dass dem Mandanten die geltend gemachten Ansprüche zustehen.

Anspruchsvoraussetzung war gemäß Ziffer B. 2.2.3 das Vorliegen der Herzerkrankung mit der Minderung der Pumpleistung NYHA III oder IV. Das wurde ärztlicherseits festgestellt, dargelegt und bewiesen.

Zudem heißt es in den Versicherungsbedingungen: „Die Leistungserbringung ist zunächst auf 3 Jahre befristet.“, was der Mandant als durchschnittlicher Versicherungsnehmer als entsprechenden Anspruch verstanden hat und verstehen durfte.

Die Herzerkrankung ist auch ein Dauerschaden, sodass der Mandant als durchschnittlicher Versicherungsnehmer erst recht von der Zahlungspflicht der Sparkassen-Versicherung Sachsen ausgehen konnte.

Der vorletzte Satz in Ziffer B.2.2.3 war für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer überhaupt nicht verständlich, könnte daher den entstandenen Anspruch nicht zu Fall bringen.

Was soll eigentlich der durchschnittliche Versicherungsnehmer unter „irreversibel“ verstehen? Ist dies auf die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit oder die Herzerkrankung bezogen, auf IV. oder III.?

Nach dem Bedingungswerk wollte die Sparkassen-Versicherung Sachsen „irreversibel“ unbedingt verbinden mit der Einnahme von Medikamenten, verwendete das Wort „und“. Abgesehen davon, dass Beweis von der Versicherung nicht geführt wurde könnte man auf den Willen mutmaßen, dass zusätzlich zu „irreversibel“ Medikamente zugeführt werden müssen, deren Einnahme aber nicht alleine dauerhaft „über das oben beschriebene Maß verbesserbar“ führt. Hier fragte sich schon, was unter „oben beschriebene Maß verbesserbar“ der durchschnittliche Versicherungsnehmer verstehen sollte. War damit die Funktionsfähigkeit, die Herzerkrankung oder vielleicht NYHA IV. gemeint?

Die AGB bezogen auf die Zuführung von Medikamenten ist allemal auch schon deswegen rechtsunwirksam, weil die Sparkassen-Versicherung Sachsen AG damit offensichtlich auch solche Medikamente meinte bzw. nicht ausschließt, die Nebenwirkungen verursachen, unter Umständen sogar starken Nebenwirkungen. Bei der Herzerkrankung des Mandanten gibt es keine Medikamente ohne starke, schädigende Nebenwirkungen.

Der Versuch der Festschreibung derartiger „Heilmaßnahmen/Heilbehandlungen“ dürfen in derartigen Verträgen im Rahmen der AGB nicht als Obliegenheit auferlegt werden, sodass die gewählte AGB rechtsunwirksam erschien.

Zudem wollte die Sparkassen-Versicherung Sachsen scheinbar zusätzlich durch die Einnahme von Medikamenten „dauerhaft“ etwas erreichen. Was soll der durchschnittliche Versicherungsnehmer unter „dauerhaft“ verstehen, 5 Jahre, 10 Jahre oder 20 Jahre? Gleichzeitig meint die Sparkassen-Versicherung Sachsen aber sich vorbehalten zu müssen, in den ersten 3 Jahren jährlich eine Überprüfung vornehmen zu dürfen. Entweder ist etwas „irreversibel“ und auch auf Dauer durch Medikamente nicht verbesserbar, oder nicht. Dann macht aber eine „Nachbemessung“ keinen Sinn. Dann hätte die beklagte Sparkassen-Versicherung Sachsen abstellen wollen auf ein Ereignis, was nach weltlichem Ermessen ausgeschlossen ist. Auch diesen Widerspruch konnte die Versicherung nicht aufklären.

Der Mandant als durchschnittlicher Versicherungsnehmer konnte und durfte das von der Sparkassen-Versicherung Sachsen AG gestellte Bedingungswerk nicht nur so verstehen, dass die Anspruchsvoraussetzungen wie dargelegt tatsächlich erfüllt sind.

Im Übrigen waren die von der Sparkassen-Versicherung Sachsen gestellten AGB für den Mandanten nicht nur überraschend, sondern auch unangemessen benachteiligend.

Der Sachverständige, ein guter und kompetenter Mann wurde nunmehr im Termin vor dem Oberlandesgericht Dresden gebeten, sein Gutachten zu erläutern. Dessen Ausführungen waren ehrlich und erstaunlich. Denn er bestätigte im Wesentlichen, dass die von der Sparkassen-Versicherung Sachsen AG gewählten Formulierungen und Kriterien im Wesentlichen untauglich sind, es fehlt dem Sachverständigen an objektivierbaren Maßstäben.

Der Senat des Oberlandesgerichtes führte dann im Einzelnen aus, dass Risiken bei Fortführung des Rechtsstreites für beide Parteien bestehen würde. Eventuell müsste der gerichtlich bestellte Sachverständige erneut befragt werden, dieser müsste versuchen, eine medizinische Einordnung vorzunehmen. Die Wirksamkeit der Versicherungsbedingungen wurde angezweifelt. Deswegen regte das Gericht dringend den Abschluss eines Vergleiches an.

Gegen die Zahlung eines guten, 5-stelligen Betrages wurde der Rechtsstreit erledigt. Die Auseinandersetzung dauerte fast 5 Jahre, die Mandantschaft wollte nunmehr auch Frieden einkehren lassen. Mit dem Ergebnis war sie hochzufrieden.

Der Rechtsschutzversicherer übernahm die Kosten, was dem Mandanten natürlich sein Vorgehen erleichterte und was auch zum schönen Erfolg beigetragen hatte.

Aus dem Verfahren konnte wieder gelernt werden, dass die Entscheidungen der Versicherer vielfach angreifbar sind. Wer sich in einer vergleichbaren Situation befindet, sollte ablehnende Entscheidungen nicht ohne weiteres hinnehmen. Die Schulte Anwaltskanzlei, Fachanwalt für Versicherungsrecht Thomas Schulte LL.M. berät Sie gerne.

Ihre

Schulte Anwaltskanzlei
Thomas Schulte LL.M.
Fachanwalt für Versicherungsrecht


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