Insolvenzrecht: Insolvenzanfechtung von Zahlungen vor Insolvenzantragsstellung

Nach § 133 Abs. 1 InsO ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder nach diesem Antrag mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte. Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und das die Handlung die Gläubiger benachteiligte.

Soweit der Schuldner bei Fälligkeit nicht zahlt, muss der Gläubiger unverzüglich handeln. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes von Anfang 2018 zum Aktenzeichen IX ZR 144/16 führt bereits die schlichte Nichtbegleichung einer offenen Forderungen über mehrere Monate hinweg regelmäßig dazu, dass der Gläubiger die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners kennt. Ist die Forderung mehr als 9 Monate fällig und zahlt der Schuldner erst nach anwaltlicher Mahnung, Androhung gerichtlicher Maßnahmen und Vorliegen eines rechtskräftigen Vollstreckungsbescheides oder im Wege unkonkreter Vereinbarungen, so hat der Gläubiger regelmäßig Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit und muss die erhaltenen Beträge an den Insolvenzverwalter erstatten. Damit schränkte der Bundesgerichtshof seine ein Jahr zuvor zum Aktenzeichen IX ZR 178/16 geäußerte Rechtsansicht ein, wonach aus einer Zwangsvollstreckung des Gläubigers noch nicht auf dessen Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners geschlossen werden kann.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahre 2018 sollte für den Gläubiger dringende Mahnung dahingehend sein, nicht beglichene fällige Forderungen zögerlich bzw. über einen längeren Zeitraum gar nicht einzufordern. Die Rechtsprechung ist gegenüber denjenigen Gläubiger nicht nachgiebig, der abwartet oder auf falsche Art gegenüber dem Schuldner aktiv wird. In dem im Jahre 2018 vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall war die Forderung jedoch völlig unstreitig. In den überwiegenden Fällen wird der Schuldner auf die Zahlungsaufforderungen des Gläubigers jedoch nicht geschwiegen und berechtigte Einwendungen gegen die Forderung geltend gemacht haben. In solchen Konstellationen wird eine Anfechtung gegen den Gläubiger durch den Insolvenzverwalter gestützt auf die oben genannte Vorschrift an der fehlenden Kenntnis des Gläubigers von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners scheitern. Soweit sich ein Gläubiger einem Anfechtungsschreiben und Rückzahlungsbegehren eines Insolvenzverwalters ausgesetzt sieht, sollte er nicht vorschnell die Forderung begleichen und sich eines rechtskundigen anwaltlichen Rates versichern.

Schulte Anwaltskanzlei
Jörg Schönfelder
Rechtsanwalt


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