Die Ausgangsbeschränkung sei in ihrer hier allein zu beurteilenden konkreten Ausgestaltung keine notwendige Schutzmaßnahme, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg hat am 7.4.2021 ein hervorragendes Urteil gefällt. Da dies so wichtig ist, habe ich Ihnen die vollständige Presseveröffentlichung unten eingestellt. In jeder Hinsicht wollte der Staat gegen seine Bürger rechtswidrig vorgehen durch Verhängung der Ausgangsbeschränkung. Fast verwunderlich ist, dass die geplante nicht als menschenrechtswidrig bezeichnet wurde. Denn als solche kann sie angesehen werden. Denn Gott hat Menschen mit aller Freiheit ausgestattet, sicherlich nicht grenzenlos. Das rechtfertigt aber nicht, dieses Menschenrecht auf Freiheit grob rechtswidrig einzuschränken.

OVG LüneburgErscheinungsdatum:07.04.2021
Entscheidungsdatum:06.04.2021
Aktenzeichen:13 ME 166/21
Quelle:Norm:§ 28a IfSG

Ausgangsbeschränkung der Region Hannover voraussichtlich rechtswidrig.

Das OVG Lüneburg hat die Beschwerde der Region Hannover gegen den Beschluss des VG Hannovervom 02.04.2021 (15 B 2883/21) zurückgewiesen und damit die erstinstanzliche Entscheidung, dass die in der Allgemeinverfügung der Region Hannover vom 31.03.2021 angeordnete Ausgangsbeschränkung voraussichtlich rechtswidrig ist, bestätigt. Rechtsgrundlage für die in der Allgemeinverfügung des Antragsgegners vom 31. März 2021 angeordnete nächtliche Ausgangsbeschränkung seien die §§ 28 Abs. 1 Satz 1, 28a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1Nr. 2, Abs. 3 und 6 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beimMenschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG). Die in diesen Normen enthaltenen tatbestandlichen Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Die Ausgangsbeschränkung sei in ihrer hier allein zu beurteilenden konkreten Ausgestaltung keine notwendige Schutzmaßnahme, da sie gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Die Ausgangsbeschränkung sei nur in einem begrenzten Umfang geeignet, die mit ihr zweifellos verfolgten legitimen Ziele zu erreichen, im Interesse des Schutzes von Leben und Gesundheit die Bevölkerung vor der Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus zu schützen, die Verbreitung der Krankheit COVID-19 zu verhindern und eine Überlastung des Gesundheitssystems infolge eines ungebremsten Anstieg der Zahl von Ansteckungen, Krankheits- und Todesfällen zu vermeiden. Eine Eignung komme ihr abernur insofern zu, als sie teilweise eine Verschärfung der bereits geltenden Kontaktbeschränkungen bewirke.Die Ausgangsbeschränkung sei nicht erforderlich. Ausgangsbeschränkungen seien als „ultima ratio“ nur dann in Betracht zu ziehen, wenn Maßnahmen nach § 28a Abs. 1 IfSG voraussichtlich nicht mehrgriffen. Die hier von der Antragsgegnerin erstellte Gefährdungsprognose trage die Annahme, dass ohne die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung eine wirksame Eindämmung der Verbreitung des Coronavirus erheblich gefährdet sei, nicht. Es sei auch zu berücksichtigen, dass in Hochinzidenzkommunen ohnehin verschärfte Kontaktbeschränkungen gelten. Die Antragsgegnerin habe zudem nicht ansatzweise nachvollziehbar aufgezeigt, dass und in welchem Umfang sie bisher Bemühungen unternommen habe, die behauptete unzureichende Einhaltung derKontaktbeschränkungen durch staatliche Kontrolle und staatliches Eingreifen zu verbessern, und dassauch gesteigerte Bemühungen von vorneherein erfolglos bleiben würden. Der Beschwerdebegrün-dung der Antragsgegnerin lasse sich auch nicht annäherungsweise entnehmen, in welchem Umfang die von ihr angeführten regelwidrigen nächtlichen Zusammenkünfte im privaten Raum tatsächlich stattfänden. Nicht nachprüfbare Behauptungen reichten zur Rechtfertigung einer derart einschränkenden und weitreichenden Maßnahme wie einer Ausgangssperre nicht aus. Insbesondere sei es nicht
zielführend, ein diffuses Infektionsgeschehen ohne Beleg in erster Linie mit fehlender Disziplin der Bevölkerung sowie verbotenen Feiern und Partys im privaten Raum zu erklären.Nach mehr als einem Jahr Dauer des Pandemiegeschehens bestehe die begründete Erwartung nachweitergehender wissenschaftlicher Durchdringung der Infektionswege. Der Erlass einschneidender Maßnahmen lediglich auf Verdacht lasse sich in diesem fortgeschrittenen Stadium der Pandemie jedenfalls nicht mehr rechtfertigen. Soweit die Antragsgegnerin auf die Unterbindung spätabendlicherTreffen junger Menschen an beliebten Treffpunkten in der Öffentlichkeit hinweise, dränge sich der Erlass von Betretensverboten hinsichtlich dieser Örtlichkeiten als milderes Mittel geradezu auf. Die mangelnde Erforderlichkeit lasse die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung zwangsläufigauch als nicht angemessen erscheinen. Die mit der Ausgangsbeschränkung verbundene freiheitsbe-schränkende Wirkung sei ganz erheblich, denn den betroffenen Personen werde für einen mehrstündigen Zeitraum an jedem Tag das Verlassen der eigenen Wohnung ohne triftigen Grund untersagt. Die-ser Eingriff sei unter Berücksichtigung der nur begrenzten Eignung und der mangelnden Erforderlichkeit der streitgegenständlichen Ausgangsbeschränkung nicht angemessen und deshalb nicht gerechtfertigt.Die Ausgangsbeschränkung anzuordnen, um etwaige Defizite bei der Befolgung und nötigenfallsstaatlichen Durchsetzung bestehender anderer Schutzmaßnahmen, insbesondere der Kontaktbeschränkungen, auszugleichen, sei jedenfalls solange unangemessen, wie von den zur Durchsetzungberufenen Behörden nicht alles Mögliche und Zumutbare unternommen worden sei, um die Befolgunganderer Schutzmaßnahmen sicherzustellen. Bevor dies nicht geschehen sei oder bevor nicht feststehe, dass solche Maßnahmen nicht erfolgversprechend ergriffen oder verbessert werden könnten, erscheine es nicht angemessen, alle in einem bestimmten Gebiet lebenden Personen einer Ausgangsbeschränkung zu unterwerfen, nur weil einzelne Personen und Personengruppen die geltenden allgemeinen Kontaktbeschränkungen nicht freiwillig befolgten oder nicht staatlicherseits alles Mögliche und Zumutbare unternommen worden sei, um gegenüber diesen Personen und Personengruppen die Ein-haltung der allgemeinen Kontaktbeschränkungen durchzusetzen, zumal auch die Ausgangsbeschränkung der freiwilligen Befolgung oder nötigenfalls der staatlichen Durchsetzung bedürfte. Dabei verkenne der Senat nicht, dass die Antragsgegnerin alleine nicht in der Lage sei, die erforderlichen aktiven Bekämpfungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Bei der Frage der Angemessenheit einer Maßnahme seien aber die gesamten Möglichkeiten staatlichen Handelns in den Blick zu nehmen und der getroffenen Maßnahme gegenüberzustellen. Der Beschluss ist unanfechtbar. Zu beachten ist, dass der Beschluss nur zugunsten des Antragstellers wirkt und nicht allgemeinverbindlich ist. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass im 13. Senat gegenwärtig drei weitere Beschwerdeverfahren anhängig sind, die sich ebenfalls gegen die streitgegenständliche Ausgangsbeschränkung richtenund die vor dem Verwaltungsgericht Hannover ebenfalls Erfolg hatten. Diese drei Verfahren werden vom Senat in den nächsten Tagen entschieden.

Ich kenne den genauen Inhalt des Verfahrens nicht. Die staatliche Argumentation scheint allerdings untragbar und auch von einem schlechten, deutlich andere Menschenbild auszugehen als unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. Gerichte gehen in der Regel freundlich und zuvorkommend mit Parteien um, auch mit den unterlegenen. Hier wird das Oberverwaltungsgericht ungewöhnlich deutlich, aus meiner Sicht eine Ohrfeige.

Bleiben Sie wachsam, verteidigen Sie Ihre Rechte!

Ihre
Schulte Anwaltskanzlei
Thomas Schulte LL.M.
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Fachanwalt für Arbeitsrecht


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