Erbrecht: Wer erbt, wenn Kinder nach Tod ihrer als Vorerbin eingesetzten Mutter als Nacherben ausschlagen, etwa die Enkel?

Ein Mann setzt in seinem Testament seine Ehefrau als Vorerbin, seine erwachsenen Kinder zu Nacherben und seine Enkel zu Ersatznacherben ein. Als Vorerbin hat die Erbin das Erbe für die Nacherben zu erhalten und darf insbesondere keine Nachlassgegenstände verschenken. Als die Kinder ihr Nacherbe ausgeschlagen habe, glaubte sie, nun vollumfänglich über den Nachlass verfügen zu können. Sie verschenkte eines der geerbten Grundstücke an ihren Großneffen. Nach ihrem Tod hielten die Enkel sich für berechtigt, das Grundstück als Teil ihres Nacherbes von ihm heraus zu verlangen.

Zu Recht, urteilten die Richter des Landgerichts Bremen in ihrem Urteil vom 19.08.2019 zum Aktenzeichen 2 O 179/19. Die Ehefrau konnte trotz der Ausschlagung der Kinder das Grundstück nicht verschenken. Denn die Enkel sind als Ersatznacherben an die Stelle der Kinder getreten. Mit dem Tod der Ehefrau fällt ihnen damit die Erbschaft an und sie können die Herausgabe des Grundstücks verlangen.

Zwar fällt im Zweifel bei der Ausschlagung durch die Nacherben, das Erbe an den Vorerben zurück. Dies gilt aber nur dann, wenn der Erblasser nichts anderes angeordnet hat. Sind Ersatznacherben bestimmt, so deutet das darauf hin, dass der Erblasser diese bei Wegfall der Nacherben begünstigen will. Für die Frage, ob das nicht nur im Todesfall der Nacherben, sondern auch bei deren Ausschlagung der Fall sein soll, kommt es vor allem darauf an, ob die ausschlagenden Nacherben einen Pflichtteil erhalten haben. Die Kinder haben als Nacherbe nämlich die Wahl zwischen der Annahme des Nacherbes oder dessen Ausschlagung und dem Verlangen ihres Pflichtteils. So müssen sie nicht warten, bis der Vorerbe verstirbt, sondern erhalten direkt einen Anteil am Erbe. Wenn die Enkelkinder infolge der Ausschlagung ihrer Eltern Nacherben würden, hätte das aber zur Konsequenz, dass die Familie des ausschlagenden Elternteils sowohl den Pflichtteil als auch die Nacherbschaft erhielte. Es käme zu einer „Doppelberücksichtigung des Stammes“. Das wird der Erblasser regelmäßig nicht gewollt haben. Wenn die Kinder – wie hier – keinen Pflichtteil ausgezahlt bekommen haben, wird ihre Familie auch durch das Nacherbe nur einmal aus dem Erbe des Großvaters bedient. Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der Erblasser seine Enkel auch im Falle des Ausschlagens der Kinder berücksichtigen wollte. Aus diesem Grund können die Enkel das Grundstück herausverlangen, da es Bestandteil der ihnen angefallenen Nacherbschaft ist.

Schulte Anwaltskanzlei
Jörg Schönfelder
Rechtsanwalt


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