OWi-Recht: Schweigen ist Gold!

Unserem Mandanten wurde vorgeworfen, auf der A 93 als Führer eines Lastkraftwagens mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5 t bei einer Geschwindigkeit von mehr als 50 km/h auf einer Autobahn den Mindestabstand von 50 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten zu haben. Der tatsächlich nur eingehaltene Abstand von 39 m zum vorausfahrenden Fahrzeug führte zu einem Bußgeldbescheid mit einer Geldbuße von 80 € und einem Punkt in Flensburg.

Da der Mandant von Beruf Lkw-Fahrer ist, war ihm sehr an der Einstellung des Verfahrens gelegen. Schulte Anwaltskanzlei wurde beauftragt, die Verteidigung in dieser Bußgeldangelegenheit zu übernehmen. Mit Einsicht in die auf Antrag übersandte amtliche Ermittlungsakte konnte festgestellt werden, dass die gegenständliche Messung mit einem Verkehrs-Kontroll-System vom Typ VKS 3.0 (Version 3.2 3D) erfolgte. Zur Überprüfung des Messverfahrens haben wir ein Sachverständigengutachten bei einem Sachverständigen für Geschwindigkeits- und Abstandsmessungen im Straßenverkehr sowie Rotlichtüberwachungsanlagen in Auftrag gegeben. Dies war deswegen möglich, da der Rechtsschutzversicherer des Mandanten für die Übernahme der Kosten Deckungszusage gab. Bei der Sachverständigenüberprüfung, insbesondere bei der Sichtung des beigezogenen Videos stellte sich heraus, dass das Betroffenenfahrzeug in einem Standbild der Videoaufzeichnung ordnungsgemäß innerhalb des Auswertebereiches erkennbar war. Der Videostream ließ aber keine Identifizierung des Fahrers zu. Ohne die Identifizierung des Fahrers hätte gegen unseren Mandanten kein Bußgeldbescheid erlassen werden dürfen.

Das Problem lag aber leider in einem anderen Bereich. Denn vor unserer Beauftragung hatte die Bußgeldstelle dem Mandanten einen Anhörungsbogen übersandt mit der Bitte diesen auszufüllen. Ordnungsgemäß machte der Mandant die Angaben zu seiner Person, das heißt die Pflichtangaben. Leider erklärte der Mandant auch, Fahrzeugführer zur Tatzeit gewesen zu sein. Hier hat er trotz Belehrung von seinem Recht zu schweigen keinen Gebrauch gemacht. Dies hat leider die mögliche Verteidigung gegen das Bußgeld zunichte gemacht. Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte das Gericht den Mandanten an seiner Angabe im Anhörungsbogen festgehalten und sich nicht auf die Argumentation eingelassen, der Fahrer sei nicht zu identifizieren, so dass der Beweis der Fahrereigenschaft unseres Mandanten nicht geführt sei. Hinzu kam, dass der Prozess am Gericht des Tatortes in Süddeutschland hätte geführt werden müssen. Dies wäre für den Mandanten ein enormer Aufwand gewesen. Bei der Abwägung war weiterhin zu berücksichtigen, dass der Mandant ansonsten keine Eintragungen in Flensburg hatte. Somit wurde entschieden, die Sache nicht weiter zu verfolgen und den zwischenzeitlich eingelegten Einspruch zurückzunehmen.

Was lehrt uns dieser Fall? Der Betroffene ist zwar verpflichtet, die Pflichtangaben zu machen im Anhörungsbogen. Er sollte aber es unterlassen, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Dieses Recht zu schweigen ist ihm auch von der Verfassung her garantiert. In unserem Fall wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit das Verfahren eingestellt bzw. der Mandant bei Gericht freigesprochen worden. In diesem Fall wie in den allermeisten Fällen wäre es also geboten gewesen, vom Recht zu schweigen Gebrauch zu machen.

Schulte Anwaltskanzlei
Thomas Schulte LL.M.
Rechtsanwalt und Fachanwalt


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Wir setzen uns so für unsere Mandanten ein und bringen ihnen die Wertschätzung entgegen, wie wir es für uns in der Lage des Mandanten wünschen und erwarten würden.