Zivilrecht: Wenn Nachbarn das "Recht" selbst in die Hand nehmen

Wir vertreten vor dem Amtsgericht Chemnitz die Eigentümerin eines Gartengrundstücks (Hinterlegergrundstück) mit darauf befindlichem Gartenhäuschen, das im Jahre 1993 gemeinsam mit 2 weiteren Gartengrundstücken mit einem Strom- und Wasseranschluss versehen worden ist. Der zentrale Stromanschluss sowie der Wasserschacht befanden sich dabei auf dem davorliegenden Grundstück des Bruders unserer Mandantin. Teile der Leitungen führten auch über dieses Grundstück. Die Kosten sowie der arbeitsmäßige Aufwand wurde von den 3 beteiligten Grundstückseigentümern zu gleichen Teilen gemeinsam getragen. Gleiches galt für die später anfallenden Verbrauchskosten.

Man ist damals davon ausgegangen, dass die gemeinsam finanzierten und verlegten Medien die Grundstücke dauerhaft versorgen sollten. Nur außergewöhnliche Umstände sollten eine Beendigung der Nutzungsmöglichkeit und damit die Versorgung der dahinter liegenden Grundstücke über die gemeinsam verlegten und finanzierten Leitungen ermöglichen. Der Eigentümer des Grundstücks auf dem sich die beiden Anschlüsse befanden, hat dann später auf dem Grundstück ein Eigenheim errichtet und im Zuge der Verlegung eines neuen Gasanschlusses den Stromanschluss zum Grundstück unserer Mandantin abgebrochen sowie den Wasserschacht komplett beseitigt, sodass das Grundstück unserer Mandantin weder mit Strom noch mit Wasser versorgt werden konnte.

In dem Verfahren vor dem Amtsgericht Chemnitz, in dem es um die Wiederherstellung der Anschlüsse ging, wandte die Beklagte ein, dass sie jederzeit zur Beendigung des Nutzungsverhältnisses berechtigt gewesen sei. Dem vermochte sich der erkennende Richter jedoch nicht anzuschließen. Er ging davon aus, dass das Nutzungsverhältnis nur auf der Grundlage eines besonderen Grundes gekündigt werden konnte, ein solcher Grund wurde von der Beklagten nicht dargetan, und im Übrigen eine Nutzung solange zulässig sei, bis die Leitungen auf Grund von Abnutzung ausgewechselt werden müssten. Außerdem stellt die Vorgehensweise der Beklagten, da sich Wasserschacht und Stromanschluss in Mitbesitz befanden eine Besitzstörung dar § 866 BGB: Besitzen mehrere eine Sache gemeinschaftlich, so findet in ihrem Verhältnis zueinander ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt. Diese Grenzen hat die Beklagte mit der Beseitigung eindeutig überschritten. Schon aus diesem Grunde wäre die Beklagte verpflichtet gewesen diesen rechtswidrigen Zustand zu beseitigen und den Wasserschacht zu errichten und den Wasseranschluss wieder herzustellen. Rechtsstaat bedeutet nämlich auch, dass man seine vermeintlichen Rechte nicht im Wege verbotener Eigenmacht sondern den dafür vorgesehenen rechtstaatlichen Mittel (einer zivilrechtlichen Klage etwa dahingehend, die Anschlüsse beseitigen zu können) weiterzuverfolgen. Sollte die Beklagte mit ihrer Vorgehensweise durchkommen, so wäre der Rechtsstaat überflüssig, denn dann könnte jeder im Wege des Faustrechtes seine tatsächlichen oder eigengebildeten Ansprüche realisieren.

Im Ergebnis des Verfahrens haben sich die Parteien dann gütlich geeinigt. Für die Klägerin bestand noch die Möglichkeit den Strom- und Wasseranschluss über ein Grundstück zu realisieren an dem sie ein Wege- und Leitungsrecht hatte. Die Beklagte hat sich bereit erklärt, einen nicht unerheblichen Teil der hierfür anfallenden Kosten zu übernehmen.

Schulte Anwaltskanzlei
Jörg Schönfelder
Rechtsanwalt


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